Mietnebenleistungen sind grundsätzlich getrennt zu beurteilen

07.08.2015

Mit Urteil vom 16.04.2015 (C-42/14 „Wojskowa Agencja Mieszkaniowa“) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine für die Praxis relevante Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Mietnebenkosten getroffen. Nebenleistungen bei der Vermietung wie Wasser, Elektrizität, Wärme und Abfallentsorgung sind danach regelmäßig als selbständige und von der Vermietung getrennt zu beurteilende Leistungen des Vermieters zu behandeln, wenn dieser die Nebenkosten von einem Dritten einkauft und an den Mieter weiterbelastet.


Entscheidung des EuGH
Der EuGH hatte im vorliegenden Urteil die Frage zu klären, ob bestimmte Versorgungsleistungen bei der Gebäudevermietung unabhängig von der eigentlichen Vermietungsleistung zu beurteilen sind. Für den vorliegenden Fall konnte der EuGH die Frage mangels hinreichender Sachverhaltsangaben zwar nicht abschließend entscheiden. Der EuGH gibt jedoch wichtige Hinweise zu den Abgrenzungskriterien solcher Sachverhalte. Für die Annahme der Nebenkosten als separate Leistung des Vermieters kommt es insbesondere darauf an, ob der Mieter über die Möglichkeit verfügt, auf die Auswahl des Lieferanten oder die Nutzungsmodalitäten des Vertrags Einfluss zu nehmen, unabhängig davon, ob er von diesem Wahlrecht tatsächlich Gebrauch macht. Dies trifft vor allem auch dann zu, wenn der Verbrauch von Wasser, Strom oder Wärme des Mieters durch einen Zähler individuell kontrolliert und basierend darauf abgerechnet wird. Ein weiteres Indiz für eine getrennte Leistung sei ein allgemein üblicher, gesonderter Ausweis der Nebenkostenabrechnung durch den Vermieter.

Eine einheitliche Leistung mit der Folge der Gleichbehandlung der unselbständigen Nebenleistung mit der (steuerfreien) Vermietungsleistung liegt nach Auffassung des EuGH dagegen nur noch in Ausnahmefällen vor. Lediglich die Vermietung schlüsselfertiger, einsatzbereiter Büroräume oder eine kurzzeitige Vermietung anderer Immobilien bilden mit der Vermietung eine einheitliche Leistung.

 

Konsequenz für die Praxis
Die Entscheidung des EuGH betrifft die Kernfrage nach der umsatzsteuerlichen Behandlung der Mietnebenkosten und ist somit von besonderer Praxisrelevanz. Als Konsequenz der Sichtweise des EuGH sind sämtliche vom Vermieter nach tatsächlichem Verbrauch abgerechneten Kosten als separate Leistung anzusehen und mit Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Damit steht das Urteil des EuGH allerdings im Widerspruch zur derzeitigen Beurteilung der Finanzverwaltung, welche in Abschnitt 4.12.1 des Umsatzsteueranwendungserlasses Nebenleistungen als Teil der Hauptleistung Vermietung ansieht. Die Rechtsprechung des EuGH ist aber auch hierzulande für die Umsatzsteuer maßgeblich. Für alle Vermieter, die Versorgungs- und Entsorgungsleistungen an ihre Mieter weiterberechnen, gilt es deshalb zeitnah zu prüfen, ob die gegebenen Verhältnisse bzw. die Vertragsmodalitäten mit dem Drittversorger vom neuen EuGH-Urteil erfasst sind. Sollte dies der Fall sein, ist möglicherweise eine Anpassung der Miet- und Pachtverträge zur Beseitigung von umsatzsteuerlichen Risiken vorzunehmen.

Risiken können dabei aus einem unberechtigten Umsatzsteuerausweis seitens des Vermieters resultieren. Mit Ausweis der Umsatzsteuer ist es denkbar, dass eine ggf. bestehende Kleinunternehmerschaft unwissentlich aufgegeben wird. Als Kleinunternehmer ist der Vermieter nicht dazu berechtigt die Umsatzsteuer gesondert auf der Rechnung auszuweisen. Stattdessen ist er dazu verpflichtet, in der Rechnung auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinzuweisen. Folge dieses unberechtigten Steuerausweises ist, dass sämtliche künftigen Leistungen i.S.d. Umsatzsteuergesetzes, welche zunächst ohne Umsatzsteuerlast erbracht wurden, nun ebenfalls mit Umsatzsteuer zu belasten sind, soweit diese Leistungen steuerbar und steuerpflichtig sind.

Demgegenüber besteht das Risiko, dass Vermieter von einer zu Unrecht angenommenen Steuerbefreiung ausgehen oder unrichtige Umsatzsteuersätze ausweisen. So unterliegt die Lieferung von Wasser als Mietnebenleistung dem ermäßigten Steuersatz. Bei unrichtigem Steuerausweis schuldet der Vermieter grundsätzlich den Mehrbetrag.

Ungeachtet der Risiken können durch die Neuregelung insbesondere Vermieter von einer denkbaren Reduzierung der Betriebsausgaben infolge eines ggf. verbesserten Vorsteuerabzugs profitieren. Durch die Umsatzsteuerpflicht für Nebenleistungen und dem damit verbundenen Vorsteuerabzug können womöglich Kosten für etwaige Anschaffungen und Investitionen in die erforderliche Infrastruktur zur Lieferung und Abrechnung der Mietnebenleistungen reduziert werden.

 

Fazit
Wir weisen darauf hin, dass sich die Besteuerungspraxis von Vermietungs- und Verpachtungsumsätzen infolge des Urteils verändern wird. Durch das EuGH-Urteil wird eine Änderung der geltenden Verwaltungsgrundsätze in Deutschland zwingend notwendig sein. Deshalb sollten Vermieter bereits jetzt überprüfen, ob ihre Miet- und Pachtverträge für einen möglichen Richtungswechsel vorbereitet sind. Möglicherweise ist eine Anpassung der bestehenden Verträge notwendig.

Für Anwendungsfälle, bei denen sich die Neuregelungen des EuGH nachteilig auswirken werden, ist eine Berufung auf die gegebene Verwaltungsauffassung bis zur Änderung des Anwendungserlasses weiterhin denkbar. Da die Entscheidungen des EuGH für das nationale Umsatzsteuerrecht jedoch maßgeblich sind, können sich Vermieter bereits heute auf die ggf. günstigeren Bestimmungen des EuGH berufen. Generell wird es für eine Beurteilung der Auswirkungen auf eine einzelfallspezifische Prüfung anhand der Grundsätze des EuGH ankommen. Bei Fragen stehen Ihnen Ihre Berater von Warken & Partner selbstverständlich gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.